Die Schulter – so stabil (je nach Person) sie von außen aussieht, ist ein zerbrechliches Konstrukt aus Muskeln, Bändern, Schleimbeuteln und Gelenken mit viel Bewegungsspielraum (im besten Fall). Im Kraftsport und vielen fordernden Sportarten (Handball, Kampfsport, Schwimmen – um ein paar zu nennen) ist die Schulter häufig ein entscheidender Faktor – eine starke Schulter verbessert fast jede physische Leistung, eine verletzte Schulter kann sogar den Klogang zur Herausforderung machen.
Dabei sorgt eine Muskelgruppe der Schulterpartie besonders häufig für Probleme – die Rotatorenmanschette.
Als Rotatorenmanschette (besser: Muskel-Sehnen-Kappe) wird beim Menschen eine Gruppe von vier Muskeln im Schulterbereich bezeichnet, die alle vom Schulterblatt zum Oberarmkopf ziehen und das Schultergelenk kappenförmig umgeben: Musculus supraspinatus (oberer Schultergrätenmuskel), Musculus subscapularis (vorne), Musculus infraspinatus (hinten oben), Musculus teres minor (hinten unten).
Diese Muskeln sind von außen nicht sichtbar, sondern vom breiten und kräftigen Deltamuskel (Musculus deltoideus) bedeckt. Die Aufgabe der vier Muskeln besteht darin, den Oberarmknochenkopf in der sehr flachen Gelenkpfanne des Schulterblattes zu halten. Das funktionelle Resultat ist eine extreme Beweglichkeit in mehreren Beugeebenen und der Drehachse.
Was gibt es zu beachten?
Wenn wir die Schulter trainieren wollen sind zwei Dinge besonders wichtig: a) Schulterstabilität darf nicht mit Steifheit oder Inflexibilität verwechselt werden. Stabilität ist dann gegeben, wenn man die durchgeführte Bewegung kontrolliert ausführen und Abweichungen aktiv vermeiden kann. b) Man kann so viel an seiner Schulter arbeiten wie man will wenn der Brustkorb nicht in Position bleibt. Die optimale Position ist hierbei als neutral zu verstehen – sobald mein Brustkorb in die Hyperextension gehen muss um die Schultermobilität zu gewährleisten mache ich etwas falsch.
Wann ist der Brustkorb in einer optimalen Position?
Von optimal können wir sprechen wenn der Brustkorb in einer neutralen Position zentral über der Hüfte steht, und zwar aus allen Seiten (frontal, von hinten, von links & rechts). Die beiden häufigsten Fehlhaltungen sind dabei die Kyphose –
als eine Kyphose – griechisch κύφωσις, wörtlich „Buckelung“ von κύφος, kýphos, „Buckel“ – wird in der Fachsprache beim Menschen eine nach hinten (dorsal) konvexe Krümmung derWirbelsäule bezeichnet
und die Lordose –
beim Menschen ist eine Lordose im Bereich der Halswirbelsäule (cervical) und der Lendenwirbelsäule (lumbal) normal (physiologisch), da sie wie auch die Kyphose und die seitliche Krümmung (Krümmung in der Frontalebene, die Skoliose) die „Stoßdämpferwirkung“ der Wirbelsäule begründen. Erst deutlich verstärkte Krümmungen oder Streckungen der Wirbelsäule begründen Beschwerden bis zu chronischen Krankheitsbildern und Schädigungen.
Was tun wenn der Brustkorb in keiner optimalen Position ist?
Zurück zum Thema Schulterstabilität
Um diese zu erreichen ist die Rotatorenmanschette von essentieller Bedeutung. Dabei gibt es drei weniger häufig genutzte Wege um die Rotatorenmanschette zu ihrem stärksten Selbst zu verhelfen, die wir heute hier beschreiben wollen. Warum fokussieren wir uns auf die Rotatorenmanschette? Die Deltoiden werden in der klassischen Arbeit (Gewichttraining) stark beansprucht und ausreichend trainiert, überdecken dabei aber häufig die fehlende Weiterentwicklung der Rotatorenmanschette, da viel schneller aufzutrainieren.
Auch in Spielsportarten die weniger auf Krafttraining setzen (oder wenn dann eher auf individueller, freiwilliger Basis), kann die Rotatorenmanschette ein schwaches Glied in der Kette Schulter sein.
EDIT: Dem Thema Schultertraining für bewegliche, gut geschützte und nicht zuletzt richtig breite Schultern werden wir uns in einem nachfolgenden Artikel widmen, seid gespannt. (Traps sind übrigens die neuen Abs – und eine richtig breite Schulter knechtet sie alle. Nur mal so ;))
Ein paar Vorschläge in der Übersicht
Methode 1 – Diagonal arbeiten
Um die gesamte Muskulatur der Schulter in Einklang zu bringen, kann es hilfreich sein Bewegungen mit diagonalem Arbeitsweg gegenüber uniplanaren Übungen (in einer Ebene) zu bevorzugen. Die Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) hat hier gute Übungen parat um die Rotatoren zu stärken:
Ziel der PNF-Physiotherapie ist es, durch verstärkte Stimulation der Sensoren das neuromuskuläre Zusammenspiel, also das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, zu fördern und damit physiologische Bewegungsmuster zu erleichtern (Fazilitation), die im Zentralnervensystem abgespeichert sind)
Wichtig ist, dass die Übungen mit wenig bis gar keinem Zusatzgewicht ausgeführt werden. Denkt aktiv daran nach etwas zu „greifen“, euch nach etwas am Ende des Bewegungsradius zu „strecken“. Ziel ist es die Bewegungsfreiheit zwischen dem Schultergürtel und dem Brustkorb zu verbessern/wieder herzustellen. Bei Übungen dieser Art ist es wichtig nicht beteiligte Muskelgruppen aktiv aus der Bewegung auszuschließen. In den dargestellten knienden Übungen ist es zum Beispiel äußerst wichtig, dass der Latissimus nicht involviert wird. Wie passiert dies? Denkt nicht: “nicht den Lat benutzen”, sondern gebt eurer Schulter aktiv den Befehl die Bewegung zu starten und fühlt dann die Spannung über die gesamte Bewegung. (Hört sich komisch an, ist komisch zu beschreiben, probiert es aus. Ihr werdet fühlen was gemeint ist) Wiederholungszahlen sollten bei solchen Übungen acht nicht überschreiten, zwei bis drei Sätze sind vollkommen ausreichend.
Methode 2 – Rotation
Hierbei geht es darum, interne und externe Rotation der Schulter in sich selbst zu ermöglichen und zu stabilisieren. Warte was? Übungen dieser Kategorie sollen dem Ausführenden das Gefühl der optimalen Positionierung von Schulterkopf zu –Pfanne vermitteln. Dies führt zu einer durchweg stabileren Arbeit in allen Ebenen (wirkt sich zum Beispiel positiv auf den Wurf und das Bankdrücken aus – neben vielem mehr).
Daher ist es wichtig, dass das Schultergelenk bei allen Übungen dieser Kategorie in neutraler Position bleibt, das heißt nicht nach vorne ausbricht (Schulter nicht exzessiv nach vorne strecken). Für jeden ist dabei die optimale Position eine andere, ein guter Hinweis kann ein „schwereloses Gefühl“ sein (kein Zug auf das Gelenk aus keiner Richtung). Übungen können sein:
Methode 3 – Stabilisation unter Last
Als Nummer drei: Statisches Halten und Tragen. Ziel ist es statische Kraft (Widerstandskraft) aufzubauen. Kettlebells sind hier die Könige, die kniende Ausführung kann Wunder wirken. Wichtig sind eine kontrollierte Ausführung, ein neutraler Brustkorb und eine Schulter in neutraler Position.
Ebenfalls äußerst hilfreich sind Farmers Walks/Carries und Suitcase Carries. Absolut essentiell ist dabei, dass die Schulter in neutraler Position bleibt, das heißt keine Gewichte die dies nicht erlauben! Denkt daran, es geht um ein Training der Rotatoren, nicht der Griffkraft! wichtig ist, dass die Schulterblätter zusammen- und nach unten gezogen werden (in die Hosentasche stecken). Dabei soll sich der Brustkorb nicht nach oben strecken (keine Hyperextension der Brustwirbelsäule). Sollte dies ein Problem für euch sein, siehe oben. Parallel dazu empfehlen wir euch unseren Artikel zum Thema Atmen, lest hier…. Carries haben auch den angenehmen Nebeneffekt euren Kern direkt noch mit zu stärken. Formtipp: Haltet die Arme fixiert an euren Seiten, dass Gewicht soll nicht schwingen.
Was noch? Kreuzheben. Aber nicht mit Maximallast und mit starkem Fokus auf die Schulter. Auch hier gilt: steckt die Schulterblätter in die Hosentasche – und lasst sie dort über den gesamten Satz hinweg. Sollte euch dadurch keine saubere Arbeit vom Boden möglich sein, arbeitet von einer Erhöhung. Kettlebells/Kurzhanteln statt der klassischen Langhantel können dabei den Fokus auf die Schulter noch verstärken.
Zusammenfassung
Die Liste an Übungen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – vielmehr soll sie euch aufzeigen nach welcher Art Übung ihr euch umschauen solltet. Hier geht es schließlich darum mögliche Ebenen der Weiterentwicklung zu beschreiben. Wann Ihr diese Übungen ausführt (vor oder nach dem Training, Nicht- Trainingstage) sollte keinen Unterschied machen, Hauptsache ihr führt sie regelmäßig aus. Eine Möglichkeit kann es zum Beispiel sein dreimal die Woche an den Rotatoren zu arbeiten, jeweils mit einer Übung (pro Tag eine Methode). 2–3 Sätze mit maximal 8 Wiederholungen sollten dabei genügen.
Um eine gesunde Schulter zu erhalten benötigt es starke Deltamuskeln, einen optimal (neutral) positionierten Brustkorb und stabile Rotatoren. Wichtig ist, dass Ihr diese Übungen nicht ausführt wenn sie Schmerzen bereiten. Konsultiert einen Arzt bei Schmerzen und/oder stimmt euch mit eurem Arzt/Physio ab sofern Ihr euch in Reha befindet. Und, obwohl es sich von selbst versteht, die Rotatorenmanschette ist kein Gebiet für persönliche Bestleistungen, es gibt keine Weltrekorde im Durchreichen und Halten , benutzt also adäquate Gewichte.
Viel Erfolg und satte Zuwächse
Euer Team HEBERWISSEN
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