Schmerz kommt gerne schleichend daher, frisst sich in unseren Sport und irgendwann in unser Leben. Gerne wird Schmerz als notwendiges Übel hingenommen – oft hört man sogar: „das kann ich nicht machen, dann tut mir das uns das weh…“ wenn man fragt warum es wehtut – Schweigen. „Na ja ich mach mein Warm-Up und rollen tu ich mich auch – es geht halt trotzdem nicht weg…“
Wer regelmäßig intensiv trainiert kennt es: Wehwehchen hier, Schmerz da, Einschränkung dort. Die Frage bleibt und ist nicht ganz unwichtig: sind es nur Schmerzen oder bin ich ernstlich verletzt? Und vor allem: ab wann ist das Weitertrainieren gefährlich, ab wann wird also reiner Schmerz zu einer Verletzung?
Schmerz und Verletzung: Zwei Seiten der (nicht grundsätzlich) selben Medaille
Nur weil es schmerzt muss etwas nicht grundlegend zerstört (verletzt) sein – andersrum muss eine Verletzung nicht durchgehend schmerzen! Folgende Fragen sollte sich jeder stellen der Schmerzen verspürt:
- Warum habe ich Schmerzen? Ist etwas Konkretes passiert? Wann hat der Schmerz begonnen? Gab es ein plötzliches Ziehen, ein Stechen? Wird andauernder Schmerz nach einer bestimmten Tätigkeit schlimmer (zum Beispiel Rückenschmerzen nach dem Kreuzheben)?
So lange es keine Vorerkrankung/–Verletzung (z.B. Skoliose, Bandscheibenvorfall) gibt, sind Schmerzen ohne konkreten Auslöser in der Regel kein Problem.
- Gibt es eine Schwellung? Fühlt sich die betroffene Stelle heiß (entzündet) an? Gibt es sichtbare Verletzungsmale?
Schwerwiegende Verletzungen haben in der Regel physische Symptome. Wer umknickt und keine Schwellung sieht, der hat sehr wahrscheinlich auch keine negativen Auswirkungen zu befürchten. Es bietet sich ein Vergleich der verletzten Stelle mit dem körperlichen Konterpart an: Wenn der linke Knöchel umgeknickt ist, wie sieht er aus im Vergleich zum rechten? Dicker? Dann besteht eine Schwellung, dann ist die wahrscheinlichkeit einer Verletzung höher.
- Ist die Funktion eingeschränkt?
Ist die volle Bewegungsfähigkeit und normale Kraft gegeben? (Einschränkungen durch Muskelkater oder hohe kraftraubende vorherige Belastungen ausgeklammert) Ist die Ausführung der Bewegung Schmerzhaft, kann aber voll ausgeführt werden? Oder tut Sie so weh, dass sie abzubrechen ist? Bei Letzterem ist die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Verletzung sehr hoch.
- Wie weh tut es? Jetzt mal ehrlich!
Die Zähne zusammenbeißen bei einer tatsächlichen Verletzung: keine gute Idee! Pathetik beiseite, qualifizieren und quantifizieren ist angesagt: auf einer Skala von 1–10 (1 ist gar kein Schmerz, 10 ist nicht auszuhalten), wie stark ist der Schmerz? Sobald der Schmerz ohne aktive Bewegung über 6 liegt, oder bei Bewegung plötzlich auf mindestens 9 ansteigt und bei Entlastung sofort abnimmt, dann kann es sehr wohl eine Verletzung sein.
- Um welche Art von Schmerz handelt es sich?
Ist es ein Stechen, ein scharfer Schmerz, ein spontanes Taubheitsgefühl oder Kribbeln? Diese Scherztypen deuten eher auf eine akute Verletzung hin als ein andauernder, dumpfer Schmerz.
- Wie lange bleibt der Schmerz schon?
Wird der Schmerz nach einem Tag besser – wenn auch nur langsam? Die Zeichen stehen gut, dass es ich nicht um eine schwerwiegende Verletzung handelt. Der Schmerz ist auch nach zwei oder drei Tagen noch da und nicht merklich weniger geworden? Dann muss ein Arzt zu Rate gezogen werden!
Was tun, wenn der Schmerz „nur“ Schmerz ist?
Akut: Weniger Last, submaximale Leistung. Grundsätzlich: Schlechte Ausführung ist solange kein Problem, bis man sie mit Erschöpfung und hoher Last kombiniert. Technik ist immer entscheidend, ob ich ein Gewicht vom Boden hebe, auf eine Deckung zustürme oder einen Gegner in den Schwitzkasten nehme. Zentrales Nervensystem, Bandapparat und Muskeln müssen bereit sein. Training und Erwärmung sind also niemals zu vernachlässigen. Übermäßiges Volumen bei maximaler Intensität kann das Verletzungsrisiko erhöhen. Zuwächse bei Kraft und technischem Können dürfen nicht überschätzt werden (niemand wird über Nacht zum Meister! – mehr dazu auch hier und hier).
Wichtig ist: Schmerzen darf man nicht einfach ignorieren. Die oben genannten Fragen müssen gestellt werden, im Zweifel immer das Training den Gegebenheiten anpassen (schmerzende Stelle ausklammern, mit Mobilisierung adressieren, Last runterfahren). Das heißt aber nicht, dass nach einem Schmerzhaften Training die Last dauerhaft verringert werden muss. Testen und Überprüfen ist angesagt.
Was ist zu tun um Schmerz von vornherein zu vermeiden?
Um zu verstehen woher die Schmerzen beim Training kommen, sollten einige Beobachtungen angestellt werden: Wenn ich die schmerzhafte Übung/Bewegung ausführe,
sieht die Ausführung auf beiden Seiten gleich aus? (Hier ist die Arbeit vor einem Spiegel ausnahmsweise erlaubt! Noch besser allerdings: Videoaufnahmen, Zeitlupe ist ein Gottesgeschenk).
Welche Muskeln spüre ich bei der Ausführung – passt das? (Spüre ich beim Umsetzen den Hintern kontrahieren, nicht aber den Trapezius – mache ich dann alles richtig? Wohl nicht).
Wie sehen die beteiligten und direkt anschließenden Gelenke bei der Ausführung aus? (Knicken meine Fußgelenke in „Exorzist“-Manier ab wenn ich Ausfallschritte mache?).
Wann genau spüre ich in der Ausführung Schmerzen? Welche ist die betroffene Muskelpartie? Ist diese für sich gesehen stark genug?
Bleibt der Schmerz bestehen, wenn ich die Ausführungsgeschwindigkeit verändere?
Wenn man diese Fragen stellt sollt in den meisten Fällen die Aufgabe zu finden sein, an der es zu arbeiten gilt.
Ich arbeite bei manchen Übungen/Bewegungen nicht symmetrisch – ist das schlimm? Nun, wir sind keine komplett symmetrischen Wesen, aber: wenn ich unilateral (einseitig) die Übung nachstelle – bin ich gleichstark? Kompensiere ich? Ja? Dann muss ich hieran arbeiten.
Es feuern nicht die Muskeln die sollten – oha? Sind denn da überhaupt welche? Ist der Hintern vielleicht durch all die Kniebeugen so exorbitant viel stärker als der Trapezius den man in der Beinpresse eh nie braucht? Auf auf zum Auftrainieren.
Meine Gelenke sehen nicht gesund aus bei dem was sie tun – und schon gar nicht so wie auf YouTube bei diesen YouTube-Stars? Wie sieht denn die umgebende Muskulatur aus? Alles steinhart? Dann auf zum Druckablassen (nicht was ihr denkt – Foam Rolling oder noch besser, Rollen auf dem Lacrosse-Ball).
Was tun, wenn es eine Verletzung ist?
Geht zum Arzt!
Zusammenfassung Schmerzen & Sport:
Schmerz kann man ignorieren so lange er keiner akuten Verletzung entspringt. Um den Schmerz zu behandeln muss man entlasten durch Volumen- und/oder Stressreduktion, oder Mobilisierung. Bei einer Verletzung hilft nur der Gang zum Arzt. Folgende Fragen helfen bei der Abklärung worum es sich handelt: Warum habe ich Schmerzen? Ist etwas Konkretes passiert? Wann hat der Schmerz begonnen? Gab es ein plötzliches Ziehen, ein Stechen? Wird andauernder Schmerz nach einer bestimmten Tätigkeit schlimmer (zum Beispiel Rückenschmerzen nach dem Kreuzheben)? Gibt es eine Schwellung? Fühlt sich die betroffene Stelle heiß (entzündet) an? Gibt es sichtbare Verletzungsmale? Ist die Funktion eingeschränkt? Wie weh tut es? Um welche Art von Schmerz handelt es sich? Wie lange bleibt der Schmerz schon?
Viel Erfolg und ein allzeit schmerzfreies Training
Euer Team HEBERWISSEN
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[…] Schmerz oder schon Verletzung. Mehr dazu findet Ihr in unserem Artikel zum Thema Schmerz vs. Verletzung. Die […]
Grad neugierig über Facebook geklickt. Was für ein kritischer Ratschlag da bei Punkt eins… Sehnenscheidenentzündungen, Ermüdungsbrüche und Muskelzerrungen haben fast nie konkrete Auslöser, sind aber trotzdem ernstzunehmende Verletzungen!
Hi Paula – danke für dein Feedback! Ich verstehe, warum du diesen Punkt kritisch siehst, allerdings treffe ich folgende Annahme: Bei einem Ermüdungsbruch wird ein konkreter Schmerz auftreten der eine bestimmte Bewegung nicht weiter ermöglicht und/oder so unangenehm macht, dass eine weitere Ausführung nicht sinnvoll ist. Zumal die nächsten Punkte Schwellung und physische Beeinträchtigung dann voll zum Tragen kommen. Eine Sehenscheidenentzündung wird sich ebenfalls durch Schwellung und massive Bewegungseinschränkung bemerkbar machen. Die Muskelzerrung schränkt mindestens mal die Bewegung massiv ein. Wenn man die Punkte also, wie zum Beispiel bei einer ärztlichen Triage, miteinander verbindet, sollten alle von dir genannten Verletzungen als solche erkannt werden. Du hast natürlich einen validen Punkt, dass der Punkt alleine gelesen missverständlich sein kann. Danke für dein Feedback