Alles gut, super Trainingswoche, am Sonntag ist es sonnig, ihr geht raus, habt Spaß, Runde kicken und so – zack, Zerrung. Training für den Ar***, erstmal heilen lassen. Dann alles wieder von vorn.
Das härtest mögliche, verletzungsfreie Training ist das Ziel für jeden von uns Besserhebenden – egal ob Profi oder Hobby-Sportler – egal ob Mannschafts-, Einzel- oder Eisensport. Leider sind wir alle nicht von Verletzungen gefeit (es gab mal einen russischen Bodybuilder der so sehr von seinem steinharten Six-Pack überzeugt war, dass er einen Freund überredete mit einem Messer zuzustechen um das „steinhart“ zu bestätigen. Ratet wie es ausgegangen ist…) und besonders häufig sind Muskelverletzungen wie Zerrungen und Risse. Daher wollen wir uns in diesem Artikel dem Thema Muskelverletzung nähern, den Hintergrund etwas beleuchten und Strategien zur Vermeidung dieser Verletzungen besprechen.
Etwas Basiswissen
Muskelverletzungen werden im Allgemeinen in zwei Klassen eingeteilt: Direkte und indirekte Muskelverletzungen. Dabei spricht man von einer direkten Verletzung, wenn externe Faktoren auf den Muskel einwirken (z.B. Schlag, Tritt, etc.) und diesen verletzen (Quetschungen, Schnitt- und Risswunden). Muskelzerrung und Muskel(faser)riss sind indirekte Muskelverletzungen die aus der Muskelkontraktion selbst herrühren, nämlich dann wenn die externe Zugkraft das maximale Potential des Muskels in der jeweiligen Kontraktionsphase überschreitet.
Eine interessante Frage gleich am Anfang: Gibt es „ungefährlichen“ Sport? Nun, vor direkten Muskelverletzungen ist man grundsätzlich nur bedingt geschützt, allerdings kann man schon erkennen, dass in reinen Kraftsportarten das Verletzungsrisiko geringer ist als in Kontakt- und Teamsportarten. Kraftsportler sammeln zum Beispiel ca. 2 Verletzungen je 1000 Stunden (genauso viele übrigens wie Triathleten), Fußballer hingegen können auf bis zu 36 Verletzungen je 1000 Stunden kommen. Dabei machen Muskelverletzungen über alle Sportarten hinweg ca. 25% aller Verletzungen aus – von diesen wiederum sind indirekte Verletzungen mit am häufigsten.
Warum also nicht vorbeugen was es vorzubeugen gibt?!
Muskeln und so

Die grundlegende Einteilung der Muskulatur bei Säugetieren (ja, auch Menschen) erfolgt über den histologischen Aufbau und den Mechanismus der Kontraktion. Histologisch unterscheidet man glatte und quergestreifte Muskulatur. Die glatte Muskulatur ist vornehmlich in den Wänden aller Hohlorgane anzutreffen, z.B. den Atemwegen, Blutgefäßen, Geschlechtsorganen. Die quergestreifte Muskulatur stellt die Herz– und

die Skelettmuskulatur. Weitere Unterscheidungsmöglichkeiten ergeben sich durch die Form, die Fasertypen und funktionelle Aspekte. Wichtig auch: Die glatte Muskulatur kann, im Gegensatz zur Quergestreiften, nicht gezielt innerviert werden, das heißt nicht willentlich angespannt werden. Ein einfaches Beispiel sind Magenkrämpfe oder Regelschmerzen, diese werden durch Krämpfe in der glatten Muskulatur ausgelöst – sich „einfach mal aktiv zu entspannen“ bringt da wenig.
Muskeln bestehen aus speziellen Zellen – ergo Muskelzellen – die zu langen Folgen angeordnet die Muskelfasern und damit die Muskeln bilden. Im Sinne des Artikels soll es im Folgenden um die Quergestreifte, nämlich die Skelettmuskulatur, gehen.
Kontraktion und so
Die Kontraktion der Skelettmuskulatur ist ein mechanischer Vorgang, der durch einen Nervenimpuls ausgelöst wird. Dabei schieben sich Eiweißmoleküle (Aktin und Myosin) ineinander. Dieses wird durch schnell aufeinanderfolgende Konformationsänderungen der chemischen Struktur möglich. Die Konformationsänderung bezeichnet ein zentrales Konzept in der Molekularbiologie, nach dem Proteine in der Lage sind als Teil ihrer Funktion ihre räumliche Struktur zu ändern. Dabei werden die Fortsätze der Myosinfilamente in die Aktinfilamente hineingezogen. Ein gutes Bild dazu ist ein Druckkugelschreiber der gedrückt wird. Der Mechanismus schiebt sich ineinander und arretiert– nichts anderes passiert mit Aktin und Myosin. Hört der Nerv auf den Muskel mit Impulsen zu versorgen, erschlafft der Muskel – man spricht dann von Muskelrelaxation. Um beim Kugelschreiber zu bleiben: Man deaktiviert das Halten via Klick und der Mechanismus schiebt sich auseinander.
Wie kommen wir nun vom Basiswissen wieder auf das Thema Muskelverletzungen? Nähern wir uns aus Richtung Kontraktion: Hinsichtlich der resultierenden Längenänderung des Muskels und der Geschwindigkeit, mit der diese erfolgt, lassen sich Kontraktionen folgendermaßen charakterisieren:
- isokinetisch („gleich schnell“): Der Widerstand wird mit einer gleich bleibenden Geschwindigkeit überwunden.
- konzentrisch: der Muskel überwindet den Widerstand und wird dadurch kürzer (positiv-dynamisch, überwindend). Die intramuskuläre Spannung ändert sich, und die Muskeln verkürzen sich.
- exzentrisch: ob gewollt oder nicht, der Widerstand ist größer als die Spannung im Muskel, dadurch wird der Muskel gedehnt (negativ, dynamisch, nachgebend). Es kommt zu Spannungsänderungen und Verlängerung/Dehnung der Muskeln.
Wichtig für das Thema indirekte Muskelverletzung ist vor allem der letzte Punkt: „ ob gewollt oder nicht, der Widerstand ist größer als die Spannung im Muskel, dadurch wird der Muskel gedehnt…“. Klar ist, dass sich die Spannung im Muskel bei Erhöhung des Widerstands verändert. Sobald die Haltekraft (maximale (An)Spannkraft des Muskels überschritten wird, ist die Verteilung von Zug zu Dehnung nicht mehr linear und absorbierbar. Ab diesem Punkt führen kleine Anstiege in der Zugkraft zu überproportional großen Dehneffekten, so dass die Aktin- und Myosinfilamente nicht mehr ineinander greifen können.
Ein Beispiel: Nimmt man ein Gummiband in beide Hände und zieht es auseinander fällt folgendes auf: Je stärker man zieht desto mehr dehnt sich das Band; bis zum Punkt der maximalen Dehnung. Hört man dann auf zu ziehen kehrt es in seine ursprüngliche Form zurück, zieht man noch stärker reißt es, kehrt aber in seine ursprüngliche Länge zurück. Ein Muskel reagiert ähnlich, nur das, sobald man die Dehngrenze überschreitet, der Muskel nicht zu seiner ursprünglichen Länge zurückkehrt. Es entsteht eine indirekte Muskelverletzung.
Welche Verletzung habe ich denn nun – und woher kommt sie?
Es ist nicht so, dass sich indirekte Muskelverletzungen immer auf genau eine Ursache herunterbrechen lassen – allerdings ist es so, dass im Sport viele Verletzungen eines der drei folgenden Merkmale aufweist.
Sie passieren…
…während extrem schwerer (in Relation zum eigenen Potential) exzentrischer Kontraktionen – zum Beispiel während eines Maximalkraftversuchs oder maximalen Sprints
…mit Vorliebe in zweiköpfigen Muskeln (zum Beispiel Bizeps, ischiocrurale Muskulatur [Hamstrings], Gastrocnemicus) die an zwei Gelenken arbeiten
…in schnellfeuernden Muskeln, also Typ II Muskeln.
Um das Gummiband-Bild in Relation zu setzen sei noch gesagt, dass eine Muskelverletzung nicht zwangsläufig am Ende der maximalen Dehnung des Muskels auftreten muss. Vielmehr sind Zerrungen abhängig von der total einwirkenden Zugkraft vs. der maximalen Kraft, die der Muskel in dieser Situation aufnehmen kann. Übertragen auf das Gummiband: Greife ich das Band an beiden Enden und ziehe es auseinander ist der Dehnweg lang und die aufgenommene Kraft groß, das Band reißt spät. Greife ich das Gummiband in der Mitte, die Finger 1cm voneinander entfernt, dann ist der Dehnweg kurz und die aufgenommene Kraft gering, das Band reißt schnell. Das heißt, Zerrungen können also auch außerhalb der totalen Streckung des jeweiligen Muskels passieren.
An welcher Stelle des Muskels dabei genau die Verletzung auftritt, ist der Kraftverteilung auf den Muskel geschuldet. Am wahrscheinlichsten ist eine Verletzung nahe der Verbindung von Muskel und Sehne –vor allem da dieses Gewebe etwas schwächer ist als Muskel und/oder Sehne. Am anfälligsten für Zerrungen sind Quadrizeps, Hüft-Adduktoren und –Flexoren, die Bauchmuskulatur, Waden und der Bizeps.
Verletzungstypen
Ist der Muskel komplett durchgerissen, weiß man es. Man hört es, man spürt es und man sieht es. Der Muskel verliert sofort seine komplette Funktion, der Schmerz ist nicht unbeträchtlich und es wird zu einer deutlichen Schwellung kommen, manchmal begleitet von einem leuchtenden Bluterguss.
Ist der Muskel gezerrt merkt man auch das sofort. Das persönliche Schmerzempfinden ist dabei immer subjektiv, Leichte und mittlere Muskelzerrungen machen sich vor allem durch einen ziehenden bis stechenden Dehnungsschmerz bemerkbar. Je nach Schwere können auch Blutergüsse und Schwellungen auftreten.
Generell gilt, dass es in den verletzten Muskeln zu einer Entzündungsreaktion kommt, darauf folgt die Bildung von Narbengewebe als Ersatz der verletzten Muskelfasern. Bei leichten bis mittleren indirekten Muskelverletzungen kann das umgebende Gewebe in der Regel normal weiter hypertrophieren und die vernarbte Stelle ausgleichen, das heißt Muskelwachstum und Leistung sind nicht dauerhaft eingeschränkt. Anders sieht es bei Muskelrissen aus: Je nach Stärke der Verletzung (und ggf. der Häufigkeit) kann es zur Bildung eines massiven Narbengewebes kommen, das die Hypertrophie und Beweglichkeit im betreffenden Muskel verringert und auch Schmerzen verursachen kann.
Nach der Verletzung
Es ist nicht angeraten frisch verletzt oder in der akuten Heilungsphase den verletzten Muskel zu trainieren. Im schlimmsten Fall kann es zu einer erneuten Verletzung und/oder einer Verschlimmerung der bestehenden Verletzung kommen, mindestens aber zu einer verlängerten Heilungsphase. „Wann kann ich denn dann wieder trainieren“ fragt Ihr zu Recht – eine pauschale Aussage ist leider nicht möglich. Wichtig ist, dass Ihr keine übermäßigen Schmerzen mehr verspürt. Sollte es eine Schwellung und/oder einen Bluterguss geben, so sollte mit einer Belastung über das normale Maß (gehen, stehen etc.) hinaus gewartet werden, bis eine vernünftige Beweglichkeit gegeben ist. Sobald die Beweglichkeit gegeben ist gilt: Langsam an maximale Belastungen herantasten, achtsam auf Schmerzen achten und auf den Rat von Arzt und/oder Physios hören! Selbst Profis mit der bestmöglichen Unterstützung fallen teilweise wochenlang aus – und das hat seinen Grund.
Indirekte Muskelverletzungen behandeln
Bei der akuten, also unmittelbaren Behandlung von Muskelzerrungen und –Rissen hat sich die PECH-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) bewährt.
- Pause: Sobald ein Verletzungsschmerz zu spüren ist, muss die Belastung des betroffenen Muskels sofort beendet werden
- Eis: Das Eis soll zum einen den Schmerz eindämmen als auch eine Schwellung und Einblutung verhindern
- Compression: Ein Kompressionsverband soll ebenfalls Blutung und Schwellung verringern
- Hochlagern: Hierdurch soll der Rückfluss des Blutes verbessert werden. Die Schwellungen und die damit verbundenen Schmerzen sollen verringert werden.
Als „probates Hausmittel“ wird eine Fortführung der PECH-Punkte oftmals auch über die akute Verletzungsbehandlung hinaus empfohlen. Vor allem in diesem Kontext wird die PECH-Regel (oder RICE im englischsprachigen Raum) in letzter Zeit kritisch hinterfragt. Vor allem die These, dass die auftretende Schwellung die Methode des Körpers ist das verletzte Gewebe mit möglichst vielen Nährstoffen zu versorgen, wird häufig diskutiert. Daher wird eine Kühlbehandlung während des Heilungsprozesses nicht empfohlen. Darüber hinaus wird empfohlen auf eine durchgehende Kompression zu verzichten um die Blutversorgung des verletzten Gewebes nicht über Gebühr einzuschränken. Befürworter dieser passiveren Behandlung empfehlen dann ein regelmäßiges, kurzzeitiges Flossing der verletzten Muskulatur um die Nährstoffversorgung zu maximieren. Pausen und hohe Lagerungen sollten laut der PECH-Kritiker ebenfalls so gering wie möglich gehalten werden, um das gestörte Gewebe schnellstmöglich zu mobilisieren.
Wichtig ist, dass die Studienlage zu diesen Äußerungen noch nicht aussagekräftig ist. Die Theorie ist weder wiederlegt noch vollkommen belegt. Wie man indirekte Muskelverletzungen behandelt sollte jeder individuell mit einem Arzt abstimmen.
Indirekte Muskelverletzungen vermeiden
Es gibt einige Faktoren die indirekte Muskelverletzungen begünstigen:
- Verletzungshistorie des betreffenden Muskels ( das durch die Verletzung entstandene Narbengewebe ist immer schwächer als das umgebende Gewebe)
- Ermüdung von Muskel und zentralnervösem System (Ermüdung verringert die Elastizität des betreffenden Muskels, Die Ermüdung des Kopfs führt immer zu verringerter Bewegungsqualität)
- Verringerte/nicht vorhandene Stabilität im betreffenden Muskel und dem umgebenden System.
- Ein muskuläres Ungleichgewicht und/oder Schwäche (z.B. Beine im Vergleich zum unteren Rücken in der Kniebeuge)
- Kalte Umgebungstemperaturen
- Unzureichende muskuläre Erwärmung
Daraus lassen sich folgende Vermeidungsstrategien ableiten:
- Eine Erwärmung ist immer zu empfehlen. Die Erwärmung sollte eine leichte Cardio-Komponente enthalten um die Muskeltemperatur zu erhöhen. Darüber hinaus ist Stretching/Mobility-Work zu empfehlen die Beweglichkeit zu erhöhen und etwaige Einschränkungen zu verringern.
- Die Muskeln für eine spezifische Übung sollten immer durch Aufwärmsätze vorbereitet werden. Dies gilt besonders bei technisch besonders anspruchsvollen Übungen und/oder Übungen die schnelle Beschleunigungen/abrupte Bremsphasen beinhalten.
- Sobald die Muskel- oder zentralnervöse Ermüdung die saubere Ausführungstechnik beeinträchtigen sollte das Gewicht reduziert werden um Verletzungen zu vermeiden.
- Um die Ermüdungsschwelle zu erhöhen empfiehlt sich ein schweres Krafttraining mit einer die Stabilität steigernden Komponente, z.B. schwere Kniebeugen für Ball- und Bewegungssportlersportler
- Ein Training auf instabilem Untergrund ist nicht zu empfehlen
Zusammenfassung
Eine Muskelzerrung, bezeichnet den Vorgang einer unphysiologisch (unnatürlichen) ablaufenden Muskeldehnung. Diese tritt dann auf, wenn die Zugkraft (exzentrische Kraft) die der Muskel aufnehmen soll die Gewebeelastizität übersteigt. Dabei sind zweiköpfige Muskeln (Quadrizeps, Hüft-Adduktoren und –Flexoren, die Bauchmuskulatur, Waden und der Bizeps) am anfälligsten. Nichts beeinflusst Wahrscheinlichkeit einer Zerrung wie eine vorhergehende Zerrung im selben Muskel. Das Risiko einer indirekten Muskelverletzung senken eine gute Erwärmung, gute Mobilität sowie die Vermeidung einer übertriebenen punktuellen Ermüdung (Muskel und Hirn).
Viel Erfolg & eine verletzungsfreie Zeit
Euer Team HEBERWISSEN
p.s. Vor der Saison könnten noch ein paar Pfund runter – der drauf? Dann solltest du hier mal vorbeischauen…